A. BUNDESVERFASSUNG Art. 75b (neu; Zweitwohnungen) der Bundesverfassung (BV) lautet:
1 Der Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde ist auf höchstens 20 Prozent beschränkt.
2 Das Gesetz verpflichtet die Gemeinden, ihren Erstwohnungsanteilplan und den detaillierten Stand seines Vollzugs alljährlich zu veröffentlichen.
B. ÜBERGANGSRECHT
Art. 197 Ziff. 8 BV (Übergangsbestimmungen zu Art. 75b)lautet:
1 Tritt die entsprechende Gesetzgebung nach Annahme von Artikel 75b nicht innerhalb von zwei Jahren in Kraft, so erlässt der Bundesrat die nötigen Ausführungsbestimmungen über Erstellung, Verkauf und Registrierung im Grundbuch durch Verordnung.
2 Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar des auf die Annahme von Artikel 75b folgenden Jahres und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, sind nichtig.
C. SCHLUSSFOLGERUNGEN
1. Die Verordnung des Bundesrats ist verfrüht:
Gemäss den Übergangsbestimmungen hätte der Bundesrat erst dann Ausführungsbestimmungen erlassen können, wenn das Ausführungsgesetz innert zweier Jahre nach Annahme der Initiative nicht in Kraft getreten wäre. Diese Frist ist aber noch gar nicht abgelaufen. Die Verordnung widerspricht schon einer aufschiebenden Bedingung der Bundesverfassung (intertemporales Recht), welche für sie aufgestellt wurde (vgl. Art. 182 Abs. 1 BV).
2. Der Bundesrat regelt Materie ohne Kompetenz-Grundlage in der Bundesverfassung:
Formal: Nach Art. 182 Abs. 2 BV ist der Bundesrat nur befugt zum Erlass von Vollzugsbestimmungen zu Gesetzen, und nicht zu Verfassungsnormen
Materiell:Die «Vollzugsverordnung» ist keine Vollzugsverordnung: Sie enthält materielle Regelungen von grosser Tragweite.
3. Rechtsunsicherheit: Bis am 31.12.2012 gilt bisheriges Recht - oder negative Vorwirkung?
Grundsätzlich ist im Rechtsmittelverfahren auf die Rechtslage im Zeitpunkt der ersten (angefochtenen) Verfügung abzustellen: Der Zeitpunkt der Baubewilligung/Bauverweigerung. Demnach verblieben Bewilligungen, die von Rechtsmittelinstanzen erst nach dem 1. Januar 2013 beurteilt würden, weiterhin gültig.
Ob hier neues Recht im überwiegenden öffentlichen Interesse vom Bundesgericht als sofort anwendbar erachtet wird, ist offen: Rechtsunsicherheit für Bauherren mit einer angefochtenen Bewilligung aus der Zeit vor dem 1. Januar 2013.
4. Warum kein dringliches Bundesgesetz?
Der Bundesrat hätte umgehend Anstoss für einen Erlass eines dringlichen Bundesgesetzes geben sollen: Die Zeit seit Initiative-Annahme (11.3.2012) hätte dazu bis 31.12.2012 gereicht – und die Bestimmungen hätten sofort in Kraft treten können (ev. m. nachträglichem Referendum).
5. Der Inhalt der Verordnungsbestimmungen (vgl. oben Ziff. 2) widerspricht dem Initiativtext:
Er ist zwar restriktiv formuliert – zugleich aber teilw. unklar und entspricht dem klaren Text der Zweitwohnungsinitiative. Erst das Bundesgericht wird allenfalls mehr Klarheit schaffen, da es an Verordnungsbestimmungen im Gegensatz zu Bundesgesetzen nicht gebunden ist.