Implenia: Umfassende Risiko-Übernahme einer allfälligen Unrichtigkeit der Vorplanung der Stadt Zürich als Bestellerin? / by Simon Schaltegger

Das Obergericht bestätigte das Urteil des Bezirksgerichtes, soweit dieses die eingeklagten Mehrforderungen der Implenia abgewiesen hatte, welche jene aufgrund von

  •  Planungsfehlern/-unvollständigkeiten der Vorplanung der Bestellerin, und von
  •  Bestellungsänderungen

geltend gemacht hatte.

Die Haupt-Mehrforderungen (> 13 Mio) der Implenia sind offenbar infolge angeblch mangelhafter oder unvollständiger Planung der Bestellerin eingeklagt.

Die Vertragsklausel, gestützt auf welche die Stadt, das Bezirksgericht und das Obergericht einen Anspruch der Implenia darauf verneinte, lautete (Ziffer 1.2.1 Abs. 3 TUV):

"Es ist die Pflicht der Totalunternehmung, die von der Gesamtplanerin/dem Gesamtplaner bisher erbrachten Leistungen (insbesondere Planunterlagen und sonstige Dokumente) auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und die Verantwortung für die Ausführung des Bauwerks auf deren Grundlage vollumfänglich zu übernehmen."

Die Zürcher Gerichte sehen darin eine vollständige Wegbedingung der Haftung der Bestellerin für die Güte deren Vorplanung (bisherige Gesamtplanung), d.h. das Obergericht legt diese Bestimmung des TUV nach dem Vertrauensprinzip dergestalt aus, dass damit die TU erklärte, die (Zitat) "...Verantwortung für die Ausführung des Bauwerks vollständig zu übernehmen. Das bedeutet, dass die Pflicht zum Erstellen des Bauwerks auch bei Unrichtigkeit der "Planunterlagen und sonstigen Dokumente" gilt."

Aufgrund dieser ihrer Verpflichtung habe sich die TU nicht auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Unterlagen der Stadt verlassen dürfen, obwohl diese - als Bestellerin mit diesen Gesamt-Vorplanungsgrundlagen - als Sachverständig zu beurteilen war.

Das Urteil wirft zwei Fragen auf:

  1. Ziff. 1.2.1 Abs. 3 TUV: "Es ist die Pflicht der Totalunternehmung, die von der Gesamtplaner bisher erbrachten Leistungen (insbesondere Planunterlagen und sonstige Dokumente) auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und"die Verantwortung für die Ausführung des Bauwerks auf deren Grundlage vollumfänglich zu übernehmen":  Sind diese Planungs-Grundlagen der Stadt Zürich von den Parteien explizit als "Vertragsbestandteile" deklariert worden? Mussten diese tatsächlich - aus Sicht beider Parteien - wesentlich abgeändert werden? Ist mit diesem expliziten Bezug der übernommenen Verantwortung der TU (= Risikoübernahme/Wegbedingung Haftung der Stadt für deren Planungsleistungen) auf eine "auf der Grundlage dieser Vor-Planungen" beruhende Ausführung des Bauwerks - die Risiko-Übernahme der TU nicht eingeschränkt worden?
  2. Handelte es sich bei den durch die unvollständige bzw. fehlerhafte Planung der Bestellerin (Stadt) verursachten Mehraufwendungen (Korrektur-/Nachplanungen und Ausführungs-Mehrkosten) ev. sogar insgesamt um eine "übermässige Erschwerung der Fertigstellung" i.S. von Art. 373 Abs. 2 OR? Wäre für eine Annahme, Ziffer 1.2.1 TUV sei als ein Verzicht des TU's auf dieses sein (dispositives) Recht nach Art. 373 Abs. 2 OR auszulegen, an einen solchen bzw. an die Formulierung/Inhalt von Ziff. 1.2.1 allenfalls höhere Anforderungen zu stellen?

Ob eine Anfechtung beim Bundesgericht diesbezüglich nähere Aufschlüsse ergäbe, ist offen; bereits das Obergericht hat einige Substantiierungsmängel schon in der Berufung reklamiert, was sich allenfalls auf einen Beurteilungsumfang vor dem Bundesgericht vorab negativ auswirken könnte.

Der Berufungsentscheid des Obergerichts: Urteil vom 12. September 2016

Jedenfalls:

1. Bereits der Umfang der bisherigen Partei-Vorträge resp. des Urteils des BGZ's sprengt den "normalen" Rahmen:

  • - die Klage: 421 Seiten
  • - die Klageantwort zuerst 1'329 Seiten,
  • - nach deren Rückweisung noch (!) 495 Seiten,
  • - die Replik 444 Seiten,
  • - die Duplik 347 Seiten (macht 3'036 Seiten Parteivorträge), und
  • - das angefochtene Urteil des BGZ 220 Seiten.

Da blieb die Berufungsschrift mit 113 Seiten - und das Berufungsurteil des Obergerichts mit 73 Seiten gerade noch bescheiden.

2. Der Umstand, dass das Obericht seinen Entscheid bereits auf der Basis einzig der Berufungsschrift fasste und die Beklagte sich gar nicht am Berufungsverfahren beteiligen musste (keine Prozessentschädigung trotz 99%igem Obsiegen), deutet darauf hin, dass die Berufung schon aufgrund der Berufungsschrift und im Hauptstandpunkt "als offensichtlich unbegründet" abgewiesen worden sein könnte (vgl. Art. 312 Abs. 1 ZPO).