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Legislative gegen Exekutive: Wird der Bundesrat in Schranken gewiesen?

Trotz „wichtigster Interessen der Schweiz“, die berührt wurden und damit geregelt werden sollten, schloss der Bundesrat in der Vergangenheit Staatsverträge mit brisanten Inhalten in einem „vereinfachtem Verfahren“ ab: Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass er keine Genehmigung durch die eidgenössischen Räte vor der Ratifizierung einholen muss und somit den betreffenden Vertrag selbstständig abschliessen kann. 1. Steuerabkommen vom 19. August 2009 des Bundesrats mit den USA:

Dieser stellte sich auf den Standpunkt, dessen Inhalt bewege sich im Rahmen des DBA-USA und beschränke sich darauf, dieses zu präzisieren. Das Bundesverwaltungsgericht widerlegte hingegen diese Auffassung auf der Grundlage der Bundesverfassung als unhaltbar: Mit diesem Abkommen wurden für eine Gruppe von UBS-Kunden die Kriterien für den Informationsaustausch zu Gunsten der ame­rikanischen Straf- und Steuerbehörden über den Art. 26 DBA Schweiz-USA 96 hinaus erweitert bzw. neu bestimmt (BVGer Urteil A-7789/2009 vom 21. Januar 2010 E. 6): Vielmehr hat der Bundesrat damals eine internationale Steuer- und Strafverfolgungskooperation zu Gunsten der USA geschaffen (und nicht nur „Amtshilfe“); dies auch zu Gunsten eines Staates wie der USA, welche nicht einmal die fundamentalen EMRK-Garantien ihrer Strafverfolgung unterlegt (Art. 6, 7 EMRK). Damit sind neue materielle Strafbarkeitsbedingungenrückwirkend geändert worden (vgl.  Reich (FN 12), 125 f.;

Felix Uhlmann/Ralph Trümpler, «Das Rückwirkungsverbot ist im Bereich der Amtshilfe nicht von Bedeutung» – Überlegungen zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 2010 betreffend UBS-Staatsvertrag, ZSR 130 (2011) I, 139 ff., 143 ff.; Bonnard/Grisel (FN 7), 370. A.A. Bundesrat, Botschaft zum UBS-Abkommen, BBl 2010 2965, 2999): Eine klare Verletzung von Art. 7 EMRK und Art.15 UNO-Pakt II (vgl. Prof.R.J.Schweizer, Univ. St.Gallen., AJP/PJA 8/2011, S. 10007 ff.).

 

Auch formal widersetzte sich der Bundesrat (sich auf eine hinreichende Ermächtigung in Artikel 7b RVOG berufend), gegen beiden zuständigen parlamentarischen Kommissionen (APK-SR und WAK-NR) durch und entscheid, das Protokoll nach dessen Unterzeichnung, d.h. ab dem 31. März 2010, umgehend und vorläufig anzuwenden; Begründung: „Besondere Dringlichkeit“, „wichtige Interessen der Schweiz“.

2. Luftverkehrsabkommen mit Deutschland vom 18. Oktober 2001

 Ziel war die Überwindung der unterschiedlichen Auffassungen zu überwinden, die zwischen der Schweiz und Deutschland in Bezug auf die Modalitäten der Überflüge über das deutsche Hoheitsgebiet bei Landungen und Starts auf und ab dem Flughafen Zürich bestanden. Auch hier liess sich der Bundesrat durch den Vertragspartner (Deutschland) zur vorläufige und sofortige Anwendung bestimmter Massnahmen zur Reduktion des Luftverkehrs über Deutschland ab dem 19. bzw. 27. Oktober 2001 bewegen. Hier indessen lehnten die eidgenössischen Räte die Genehmigung dieses Vertrages danach ab (19. Juni 2002). Nach dieser Ablehnung mussten neue Verhandlungen mit Deutschland aufgenommen werden, um nach Lösungen für die noch hängigen Probleme zu suchen.

 

3. Neue Regelung?

Für Staatsverträge im - vom Bundesrat in beiden Fällen angewendeten - vereinfachten Verfahren (keine Genehmigung durch Legislative vor Ratifizierung einzuholen, selbständiger Entscheid der sofortigen Anwendung) aber bedarf es einer Ermächtigung in einem Bundesgesetz oder in einem von der Bundesversammlung genehmigten völkerrechtlichen Vertrag (Art. 166 Abs. 2 BV, Art. 24 Abs. 2 ParlG und Art. 7a Abs. 1 RVOG), oder es handelt sich um einen völkerrechtlichen Vertrag „beschränkter Tragweite (Art. 7a Abs. 2 RVOG).

Es geht um die Abgrenzung der Kompetenz zwischen Legislative und Exekutive: Die parlamentarische Beratung wird wohl zeigen, dass die etatistisch orientierte Linke für Funktionalität vor Demokratisierung und Verfassungsbedenken votieren wird, die Rechte eher - den Wurzeln des Bundesstaates „verpflichtet“ - oder eben „verhaftet“ – sich wohl eher für die Einschränkung der Exekutive zu Gunsten der Legislative und der Demokratisierung und zu Lasten der Exekutive wird einsetzen:

Wir werden sehen (hören…).