PBG: Vom «Gewachsenen Boden» zum «Massgebenden Terrain»: Neue Revisionswelle aufgrund "Harmonisierung" der Baubegriffe im Kanton Zürich
Die neue Regelung einer revidierten ABV («Allgemeinde Bauverordnung») implementiert inhaltlilch die Regelung der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB) in das Zürcherische Recht; der Kantonsrat lehnte einen Beitritt ab, er beschloss aber die inhaltlichen Vorgaben dieser IVHB im kantonalen Recht umzusetzen.
Die Regelung über das «Massgebende Terrain» stellt eine sehr wichtige Bezugsgrösse dar; sie stellt neu auf einen dem Zürcher Planungs- und Baurecht bislang hierfür nicht anwendbaren Tatbestand ab, welcher – wie befürchtet wird, zu wesentlichen Rechtsunsicherheiten führen könnte:
Der «Gewachsene Boden» stellt die Referenz für das Messen zahlreicher Gebäudeparameter dar; u.a. die Höhenmasse, die Baumasse und die Erscheinungsweise der neuen Gebäude (Gebäudehöhe, Firsthöhe etc.) bestimmt sie mit: Das Ausmass des Neuen in Bezug zum Bestehenden, insbesondere zum bebauten Umfeld (Quartier, benachbarte Verhältnisse) wird davon vertikal determiniert.
Nach heutiger, langjähriger kantonalzürcherischer Gerichtspraxis, die sich aufgrund des bestehenden § 5 ABV (vgl. Link unten) wird bei Umbauten und Gebäudeabänderungen auf den zur Zeit der seinerzeitigen Baubewilligung des Gebäudes als «bestehend» ausgewiesenen Terrainverauf als «massgebendes Terrain» (heute noch: «gewachsener Boden») abgestellt; bei Neubauten wird nach 10 Jahren Bestand auf den gegenwärtigen Terrainverlauf abgestellt.
Die Gerichtspraxis hat zu Rechtssicherheit hinsichtlich dieser wichtigen Ausgangsgrösse im Kanton Zürich geführt. Mit der Inkraftsetzung von neu§ 5 ABV wird diese beendet.
Neu muss gemäss dieser neuen Bestimmung - für beide Tatbestände Umbau und Neubau - auf einen ganz anderen Terrainverlauf abgestellt werden: Auf den «natürlich gewachsenen Geländeverlauf».
Dies wird in der Rechtsanwendung zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen; denn die Regelung im Zusammenhang mit der Bestimmung dieses «natürlich gewachsenen Geländeverlaufs» lässt der Willkür auf Gemeindeebene Tür und Tor offen.
1.
Der Bezugspunkt einer solchen Regelung ist das «natürlich belassene, unver- und unüberbaute Baugrundstück»; dieses ist heutzutage - und wird mit der Siedlungsentwicklung nach Innen ganz besonders! – zum Auslaufmodell. Nahezu aller Baugrund ist verändert. Der «natürlich gewachsene Geländeverlauf» ist – da es sich meistens um mehrfache oder zudem um weit zurückliegende Veränderungen/Umgestaltungen handeln wird - meistens unklar oder umstritten sein! Besonders für die davon betroffene Nachbarschaft eines (Neu-)Bauprojektes.
2.
Die zuständige (meistens kommunale) Baubehörde muss nun dessen Verlauf im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens hoheitlich festlegen. Sie wird dabei auf den «natürlichen Geländeverlauf in der Umgebung» abstellen.- Wo ist diese – bei den gerade geschilderten – tatsächlich ja heute bestehenden weitgehend überbauten – Verhältnissen? Nahezu nirgendwo... Deshalb muss von «älteren Terrainaufnahmen» auf den «ursprünglichen Geländeverlauf auf dem Baugrundstück» geschlossen werden: Der Beizug von historischen Karten mit der ihnen zukommenden grossen Ungenauigkeiten muss befürchtet werden. Denn Sinn der inhaltlich determinierenden IVHB-Bestimmung ist, «… dass auf den seit langem bestehenden, weitgehend durch natürliche Prozesse entstandenen Geländeverlauf abgestellt wird, und nicht auf einen Geländeverlauf, der auf menschliche Eingriffe wie frühere Abgrabungen und Aufschüttungen zurückgeht».
Nun sind die heutigen Bauflächen seit Jahrhunderten vielfältigst von Menschen verändert worden; der Urzustand ist endgültig verloren – besonders in den Bauzonen. Diskutieren kann man bloss, ob irgendeine bestimmte frühere, historische und damit immer nur relativ
natürliche Terraingestaltung massgebend sein müsste. Im Grundsatz kann dem nicht so sein (vgl. auch dazu (AGVE 1984, S. 405 f.). Dies führt daher zu unpraktikablen Lösungen; das Ergebnis wird dem Zufall ausgeliefert, kann doch mehrheitlich wohl kein einheitlicher Zeitpunkt bestimmt und die seitherige Entwicklung oft nicht genügend ermittelt werden.
3.
Die den zuständigen Behörden sogar zukommende Kompetenz für die abweichende Festlegung des „natürlich gewachsenen Geländeverlaufs“ beinhaltet eine zusätzliche Ermessensbetätigung; die Kriterien müssen im Interesse einer genügenden sachlichen und rechtlichen Vertretbarkeit auf einer übergeordneten planerischen Grundlage beruhen (z.B. Hochwasserschutz, Grundwassergefährdung); planerische Gründe können jedoch nicht nur zum «besseren Lärmschutz», sondern auch eine «bessere Einordnung ins Ortsbild» bezwecken, was der Untergrabung der Grundlagen zur Ausnahmebewilligung als solche (vgl. 220 PBG) geradezu Vorschub leistet – so sorgfältig erwogen wie auch immer. Solche Abweichungen mittels Feststellungs-Entscheid –anfechtbar im Baubewilligungs- oder im Planungsverfahren– werden Spielball künftiger Nachbarschafts-Rekurse und/oder behördlicher Dominanz gegenüber der projektierenden Bauherrschaft bilden.
Nicht immer steht Harmonisierung für Vereinfachung und Rechtssicherheit – diese hier verspricht - nüchtern betrachtet – Unklarheit und Unsicherheit für wichtigste planungsrechtliche Grundlagen wie Gebäudehöhen, Firsthöhen etc.
Übergangsregelung
Die neuen Bestimmungen gelten in den einzelnen Gemeinden erst, wenn diese ihre Bau- und Zonenordnungen (BZO), d.h. ihre Rahmennutzungsplanung harmonisiert haben.
Die Gemeinden haben dafür bis zum 28. Februar 2025 Zeit: Sie müssen in ihren BZO die neuen Baubegriffe verwenden, wenn sie entsprechende Regelungen (z.B. die Baumassenziffer) treffen. Die alten Begriffe (wie z.B. gewachsener Boden oder Gebäudehöhe) dürfen nicht mehr verwendet werden.
«Allgemeine Bauverordnung (Kt. Zürich)
Bisher: «Gewachsener Boden»
§ 5 ABV
1 Gewachsener Boden ist der bei Einreichung des Baugesuchs bestehende Verlauf des Bodens.
2 Auf frühere Verhältnisse ist zurückzugreifen, wenn der Boden
a. innert einem Zeitraums von 10 Jahren vor der Baueingabe in einem im Zeitpunkt der Ausführung der Bewilligungspflicht unterliegenden Ausmass aufgeschüttet und das neue Terrain in der baurechtlichen Bewilligung oder in einem förmlichen Planungs- oder Projektgenehmigungsverfahren nicht ausdrücklich als künftig gewachsener Boden erklärt worden ist,
b. im Hinblick auf die beabsichtigte Nutzung des Grundstücks oder zur Umgehung von Bauvorschriften umgestaltet worden ist.
Neu: «Massgebendes Terrain»
§ 5 ABV.
1 Als massgebendes Terrain gilt der natürlich gewachsene Geländeverlauf. Kann dieser infolge früherer Abgrabungen und Aufschüttungen nicht mehr festgestellt werden, ist vom natürlichen Geländeverlauf der Umgebung auszugehen.
2 Aus planerischen oder erschliessungstechnischen Gründen kann das massgebende Terrain in einem Planungs- oder im Baubewilligungsverfahren abweichend festgelegt werden.